Tagtäglich generiert unser Geist aber- und abertausende von Gedanken. Wir wachen morgens auf und schon geht der Denkapparat los. Wir haben keine Chance zu beschließen nicht zu denken. In der Wissenschaft wird von 30.000 bis 80.000 Gedanken täglich gesprochen. Eine verlässliche Methode, um dies zu messen, wurde noch nicht gefunden. Das spannende daran ist: wir können nicht wirklich steuern, was wir denken. Klar, ich kann mit Hilfe von Aussagen, mein Gegenüber soweit manipulieren, dass die Wahrscheinlichkeit sehr hoch ist, dass er dann genau das denkt, was ich will: Denke bitte an dieser Stelle nicht an einen rosa Elefanten!
Und manchmal kann ich es gar nicht verhindern, dass ich ein Erlebnis immer und immer im Geiste wiederhole, ob ich das will oder nicht. Und dort liegt auch ein entscheidender Punkt. Habe ich
beispielsweise erlebt, wie mich jemand anbrüllt, dann bin ich diejenige, die es ständig wiederholt im Geiste. Die Person die gebrüllt hat, hat dies nur einmal getan.
Es gibt diese wunderbare Geschichte von den zwei Mönchen, die einer Ordensgruppe angehören, der es verboten ist Frauen zu berühren. Eines Tages gehen die beiden Mönche gemeinsam einen Weg entlang
und treffen auf eine Frau, die vor einer tiefen Schlammpfütze steht und sie nicht überqueren kann. Der eine Mönch erkennt ihre Not, nimmt sie kurzer Hand auf den Arm, trägt sie über das
Wasserloch und setzt sie wieder ab. Stunden später, die Mönche sind fast an ihrem Kloster angelangt, sagt der andere Mönch: „Ich verstehe es nicht, warum hast du diese Frau getragen. Du weißt
doch, dass es uns nicht erlaubt ist Frauen zu berühren.“ Der andere Geistliche sieht ihn an und sagt: „Ich habe die Frau nur über das Schlammloch gehoben, du hingegen trägst sie schon den ganzen
Weg mit dir herum.“
Wie oft kommt es vor, dass wir Geschehnisse wieder und wieder im Geiste wiederholen. Ganze Geschichten entstehen, Selbstgespräche, Dialoge mit anderen. Sie haben eines gemein, sie haben überhaupt
nichts mit der Realität zu tun.
Ein anderes Beispiel: Ich falle die Treppe herunter - das passiert mir nur einmal. Danach wiederhole ich es ständig in meinem Geist, möglicherweise um zu überprüfen, wer daran schuld hat, dass ich gestürzt bin. Bin ich auf ein Kinderspielzeug getreten? Wer ist dafür verantwortlich, dass es dort lag? War es nass auf dem Boden? Bin ich über meine eigenen Füße gestolpert? Und so scannen wir stundenlang das Geschehnis, um herauszufinden, wieso es geschehen konnte. Ob wir selbst dafür verantwortlich sind, oder ob wir jemandem die Schuld dafür geben können. Immer und immer fallen wir wieder die Treppe herunter, malen uns aus, was alles noch so Schlimmes hätte passieren können, machen daraus wieder einzelne Drehbücher und erschaffen so eine komplette Traumwelt, während wir mit gebrochenem Bein im Krankenhaus liegen.
Nochmal: Der Körper liegt hier und jetzt im Krankenhaus, im Bett, der Geist reist durch die Zeit. Entweder untersucht er den Vorfall in der Vergangenheit, malt sich dort Veränderungen aus
oder visioniert in die Zukunft und malt sich dort Szenarien aus.
Versuche mal, nur für fünf Minuten deine Atmung zu beobachten. Mache es dir bequem dort wo du gerade bist. Schließe die Augen und verfolge mit deiner Aufmerksamkeit den Atem. Nichts weiter.
Was passiert nach kürzester Zeit? Gedanken tauchen auf, wie aus dem Nichts.
Und hier ist die gute Nachricht: Wenn wir uns bewusst machen, was wir denken, haben wir Einfluss darauf, wie wir uns fühlen. Denn je nach dem, ob wir etwas Schönes oder etwas weniger Schönes
denken, werden wir uns wohlfühlen oder eben nicht so wohl fühlen.
Also ist doch eigentlich die entscheidende Frage: weiß ich immer in jedem Augenblick, wenn ich denke, was ich denke?
Übrigens kann man durch Beobacheten des Atems, zumindest die Geschwindigkeit der Gedanken drosseln und ab und zu einen kurzen Augenblick die Stille genießen, die sich einstellt, wenn man keine Gedanken hat. Auf jeden Fall kannst du dich mit Hilfe des Atems sofort in die Gegenwart versetzen lassen und wahrnehmen, was in Wirklichkeit gerade los ist.