
Sichtbar sein – und was Entwicklungstrauma damit zu tun hat
Warum fällt es so vielen Menschen schwer, sich zu zeigen? Die eigene Meinung zu äußern, sichtbar zu werden – zum Beispiel auf Social Media, im Beruf oder im privaten Umfeld? Die Antwort liegt oft
tiefer als vermutet. Sichtbarkeit ist nicht nur eine Frage von Mut oder Technik. Sichtbarkeit ist verbunden mit unserem Nervensystem. Und mit alten Erfahrungen.
Wenn wir uns nicht zeigen, wenn wir lieber still sind, uns anpassen, nicht anecken wollen – dann geht es oft um Schutz. Schutz vor Ablehnung. Schutz davor, verurteilt zu werden. Schutz vor dem
Gefühl, nicht in Ordnung zu sein. Doch woher kommt diese Angst?
Die Wurzel liegt oft in der Kindheit
Als Kinder kommen wir unbedarft und offen auf die Welt. Wir probieren aus, wir zeigen uns, wir sind neugierig. Und dann – erleben wir Korrektur. Vielleicht auch Bestrafung, Ablehnung oder
Ignoranz. Manche Eltern schaffen es, Grenzen zu setzen und gleichzeitig Trost zu geben. Sie vermitteln: „Ich bin jetzt ärgerlich, aber ich liebe dich trotzdem.“ Andere Eltern konnten das
vielleicht nicht. Nicht, unbedingt absichtlich – sondern weil sie selbst nicht reguliert waren. Nicht verfügbar. Nicht präsent.
Wenn wir als Kind die Erfahrung gemacht haben, dass es gefährlich ist, uns zu zeigen, dann lernen wir: Lieber still sein. Lieber anpassen. Lieber nicht auffallen. Und so wächst in uns eine Art
„innere Bremse“, die immer dann anspringt, wenn es darum geht, sichtbar zu werden. Das ist kein Charakterfehler. Das ist Biologie. Entwicklung. Schutz.
Resilienz bedeutet, sich wieder beruhigen zu können
Sichtbar zu sein bedeutet: Ich zeige mich – auch mit der Möglichkeit, kritisiert zu werden. Ich mache mich verletzlich. Und genau das fällt Menschen mit einem engen Toleranzfenster schwer. Das
„Window of Tolerance“ beschreibt den Bereich, in dem wir uns regulieren können, ohne in Überforderung zu geraten. Wenn dieses Fenster klein ist, fühlen wir uns schnell überfordert, verletzt oder
beschämt. Dann reicht oft ein Kommentar, ein Blick, ein „Gefällt mir nicht“ – und wir ziehen uns zurück.
Doch das lässt sich verändern. Es braucht drei Schritte:
Schritt 1: Dich selbst kennenlernen
Beobachte, wie du reagierst. Nicht mit Bewertung, sondern mit Neugier. Wie schnell ziehst du dich zurück? Wann gehst du in Kampf oder Flucht? Wie redest du mit dir selbst, wenn du glaubst, etwas
„falsch“ gemacht zu haben? Allein das Bewusstwerden bringt Veränderung. Journaling – z. B. in Form von Morgenseiten – kann dabei eine kraftvolle Unterstützung sein.
Schritt 2: Deine Gedanken hinterfragen & deinen Körper bewohnen
Viele unserer schmerzhaften Gefühle entstehen durch Gedanken – oft automatisierte Glaubenssätze. „Ich bin nicht gut genug.“ „Ich darf so nicht sein.“ Mithilfe von The Work oder auch IBSR (Inquiry
Based Stress Reduction) genannt, kannst du lernen, diese Gedanken zu untersuchen. Gleichzeitig ist es wichtig, im Körper präsent zu werden. Spüre deine Emotionen: Wo sitzt der Ärger? Wie fühlt
sich Angst an? So entsteht Verbindung zu dir selbst.
Schritt 3: Mach dein Ding
Wenn du dich selbst kennst, wenn du deine Gedanken untersuchst und deine Gefühle halten kannst, dann entsteht Klarheit. Dann wirst du wissen, was dein „Ding“ ist. Sichtbarkeit ist kein Ziel,
sondern ein Ausdruck innerer Verbundenheit. Und die darf wachsen.
Sichtbarkeit beginnt nicht mit Technik oder Strategie. Sie beginnt mit echter Verbindung zu dir selbst und zu anderen. Mit dem Mut, dich selbst zu erforschen. Und der Erfahrung: Ich bin in
Ordnung, so wie ich bin.
Wenn du mehr zum Thema wissen möchtest, lade dir das kostenfreie E-Booklet „The Work & Trauma“ herunter. Dort erfährst du, was der Unterschied zwischen Entwicklungs- und Schocktrauma ist, wie du The Work anwenden und dir einen sicheren Rahmen für die innere Arbeit schaffen kannst.
