Ehrliches Mitteilen

Image by Gordon Johnson from Pixabay
Image by Gordon Johnson from Pixabay

Um Verbindung - echten Kontakt - zu meinen Mitmenschen aufbauen zu können, muss ich etwas von mir mitteilen. Eine ehrliche Mitteilung findet immer auf der Ebene des Körpers, der Emotionen und des Geistes statt. Am einfachsten ist es für die meisten von uns von unseren Gedanken zu berichten. Unser Geist ist unermüdlich dabei Gedanken zu produzieren. Etwas schwieriger ist es allerdings unsere Gedanken so mitzuteilen, dass wir uns nicht mit ihnen identifizieren. Denn Geschichten aus der Vergangenheit oder zukünftige Befürchtungen, Wünsche, Hoffnungen mitzuteilen, ist nicht dienlich, um wirklich in einen echten Austausch zu kommen. Die Frage ist also: Was denke ich jetzt gerade, in diesem Moment? Und die Mitteilung könnte dann ungefähr so lauten: Ich habe gerade die Idee, dass […]. In meinem Kopf zeigt sich gerade der Gedanken […].

 

Wir sind der Beobachter unserer Vorgänge im Kopf.


Bevor wir allerdings unsere Gedanken mitteilen, ist es ratsam zunächst einmal den Fokus auf den Körper und die Emotionen zu richten. Wir fühlen in uns hinein. Folgende Fragen können wir uns beispielsweise stellen, um Kontakt zu unseren Körperempfindungen aufzunehmen. Wie fühlt sich mein Körper jetzt gerade an? Spüre ich die Füße auf dem Boden stehen? Nehme ich wahr, wie mein Rücken angelehnt ist? Fühle ich Raum in meinem Herzen? Ist mein Gesicht entspannt? So können wir durch den ganzen Körper gehen und berichten, wie es dem Körper geht. Dies ist der Inbegriff von „im Hier und Jetzt„ zu sein. Und bei soviel Präsenz, fällt es dann auch gar nicht mehr so schwer Emotionen   wahrzunehmen. Ist da Trauer, Einsamkeit? Taucht Freude auf, Leichtigkeit?

All das können wir mitteilen und geben so unserem Zuhörer einen echten Einblick hinter unsere Kulissen. Erschreckend für diejenigen, die denken sie müssten etwas schützen. Eine wahre Befreiung für all diejenigen, die wirkliches Interesse an echtem Austausch und damit echter Verbindung haben.

Zurück zu den Gefühlen: Manchmal ist es schwer, die Gefühle überhaupt wahrzunehmen. Da sagen wir vielleicht so etwas, wie „ich fühle mich abgelehnt“ oder „ausgegrenzt“ und denken, wir hätten etwas von uns mitgeteilt. Haben wir aber nicht. Wir haben lediglich berichtet, was wir denken, dass von außen auf uns einwirkt. Da gibt es etwas oder jemanden, der uns ablehnt - denken wir. Da gibt es etwas oder jemanden, der uns ausgrenzt. Es sind sozusagen Interpretationen von Umständen oder Handlungen anderer Menschen, die uns zu der Vermutung veranlassen, dass etwas auf uns einwirkt. Also sind es richtigerweise Gedanken, die wir haben - nicht Gefühle.
Aber, welche Gefühle stecken dahinter?


Folgendes Beispiel soll zeigen, dass es nicht immer eindeutig ist, welches Gefühl solch einer Aussage zu Grunde liegt. Nehmen wir an „ich fühle mich ausgegrenzt“. Es könnte sein, dass ich traurig darüber bin, dass ich nicht dazugehöre. Denn es könnte mir wichtig sein ein Teil von dem zu sein, von dem ich ausgegrenzt werde. Ich fühle mich also traurig und enttäuscht.
In einer anderen Situation könnte es aber sein, dass ich sehr froh darüber bin. Denn vielleicht möchte ich mit der Gruppe, die etwas Gemeinsames haben (wovon sie mich ausgrenzen) gar nichts zu tun haben. Ein extremes Beispiel wäre hier eine Gruppe, die sich so hochgeschaukelt hat, dass sie Passanten auf der Straße anpöbelt. Da bin ich aber dann so was von froh, dass ich ausgegrenzt werde, sowohl von dem pöbelnden Mob, als auch von dessen Zielscheiben. Ich empfinde große Erleichterung darüber, dass mich keiner beachtet.

Es kann sich lohnen, diese vermeintlichen Gefühlsaussagen, die damit zu tun haben, was wir denken, dass von außen auf uns wirkt, genauer unter die Lupe zu nehmen. Manchmal führen sie uns direkt zu den darunter liegenden Gefühlen. Gerade, wenn es uns nicht mit der Muttermilch eingegeben worden ist, mit Leichtigkeit unsere Gefühle wahrzunehmen und darüber zu reden.

Es folgen ein paar Beispiele für weitere Nicht-Gefühle, bei denen wir statt „ich fühle mich“ besser sagen sollten: „ich denke, dass ich […] werde“

  • in die Enge getrieben
  • manipuliert
  • eingeschüchtert
  • herabgesetzt
  • nicht ernstgenommen
  • unterbrochen
  • gestört
  • missbraucht
  • ausgebeutet
  • vernichtet
  • vernachlässigt
  • zurückgewiesen

An dieser Stelle geht es nicht darum, diese Eindrücke zu negieren. Es geht darum sich darüber klar zu sein, dass es sich hierbei um Gedanken handelt, die uns selbst in der Opferrolle halten.


Wenn wir uns also in dieser Weise mitteilen, dann teilen wir dem anderen auf subtile Art mit, dass er uns etwas angetan hat. Die Grundlage für verbindende Kommunikation ist aber, dass wir

 

1. etwas Ehrliches von uns mitteilen und

2. dass wir tunlichst vermeiden sollten, den anderen zu beschuldigen.

 

Wenn ich mich ehrlich mitteile, kann ich eigentlich niemanden beschuldigen, denn ich bin voll und ganz bei mir. Und doch ist es so sehr in uns eingepflanzt andere anzugreifen und mit Vorwürfen auf sie loszugehen, dass wir völlig vergessen, bei uns selbst zu bleiben. Es ist sogar manchmal so, dass wir denken wir würden vernichtet werden, wenn wir von uns selbst erzählen. Da wir quasi dadurch erst eine Angriffsfläche bieten. Dem ist aber nicht so. Denn ganz wichtig: wir teilen uns nur den Menschen gegenüber ehrlich mit, mit denen wir in eine tiefere Beziehung wollen, mit denen wir uns also sicher fühlen. Ich rede hier nicht davon, dass wir dem Angreifer auf der Straße ganz ehrlich mitteilen, wie weich unsere Knie gerade sind. Das ist dem im Zweifel völlig egal. Da wählen wir natürlich eine andere Strategie. Weglaufen zum Beispiel!

Echte Gefühle lassen sich unterteilen in

 

Körpergefühle

„ich bin angespannt, zittrig, müde, traurig, schlapp, gelähmt, schwer, unter Druck, offen (vom Herzen her), erschlagen…"


Gefühle mit mentalem Hintergrund:
„ich bin neugierig, interessiert, offen (für neue Ideen), irritiert, voller Sorgen..."


Neugierig und interessiert zu sein, deutet darauf hin, dass wir mehr Informationen haben wollen, das meine ich hier mit mentalem Hintergrund.

Es kann ganz spannend sein, diese Gefühle für sich passend einzuordnen. Ich kann beispielsweise neugierig auf Körpergefühle sein, wie fühlt sich eine Berührung an. Das findet dann weniger im Kopf statt. Oder ich kann offen vom Geist und/oder vom Herzen sein. Jeder wird für sich wissen, wo er die Gefühle in den jeweiligen Situationen einzusortieren hat: Körper oder Geist. Wichtig ist, meiner Meinung nach, dass wir uns überhaupt damit beschäftigen und Klarheit bzw. Bewusstsein dafür entwickeln, was in uns vorgeht, und wie wir es auf ganz präzise Art mitteilen können. Denn ehrliches Mitteilen ist der Weg, um wieder miteinander in den Kontakt zu kommen, echte Verbindungen zu pflegen, und wie der Erfinder der lokalen Gruppen auf einem seiner Seminare so schön sagte: „Wir sind noch ganz am Anfang.“


In diesem Sinne wünsche ich regen Austausch und hoffe, mit diesem Artikel einen kleinen Beitrag für unser gemeinsames Voranschreiten und Lernen echte Verbindungen miteinander einzugehen, geleistet zu haben.