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Wie mir The Work geholfen hat, den Fawn Response zu hinterfragen

Foto von Johannes Plenio auf Unsplash
Foto von Johannes Plenio auf Unsplash

In meinem letzten Artikel habe ich über den Fawn Response gesprochen – diese tiefe, meist unbewusste Tendenz, sich selbst zu verleugnen, um anderen zu gefallen. Für viele von uns war das einmal eine Überlebensstrategie – für mich auch.
Heute schreibe ich darüber, wie ich begonnen habe, mich aus diesem Muster zu lösen. Ein Werkzeug, das mir dabei besonders geholfen hat, ist The Work von Byron Katie.

Warum der Fawn Response nicht einfach „weggeht“
Auch nachdem ich erkannt hatte, dass ich im Fawn Response festhing, blieb es schwer, etwas zu verändern. Ich wusste, dass ich mich zu oft anpasse. Ich spürte, dass ich meine Grenzen überging. Und doch: Ich konnte nicht einfach aufhören.

Was mir fehlte, war ein sicherer Weg, die Gedanken und Überzeugungen zu hinterfragen, die dieses Verhalten aufrechterhielten. Ich hatte Glaubenssätze wie:

  • „Ich muss nett sein, sonst werde ich abgelehnt.“
  • „Wenn ich Nein sage, enttäusche ich Menschen.“
  • „Ich bin schuld, wenn andere wütend auf mich sind.“

Diese Gedanken fühlten sich so „normal“ an, dass ich sie gar nicht mehr als Gedanken erkannte. The Work hat mir geholfen, sie sichtbar zu machen – und zu prüfen, ob sie wirklich wahr sind.

Was ist The Work?
The Work ist eine Methode zur Selbstbefragung, die aus vier einfachen Fragen besteht. Byron Katie nennt es „eine Liebesbeziehung mit der Realität“. Und genau das habe ich erfahren: Wenn ich ehrlich mit mir bin, entdecke ich, dass viele meiner stressvollen Gedanken schlicht nicht stimmen – oder nicht mehr.

Hier die vier Fragen:

  1. Ist das wahr?
  2. Kannst du mit absoluter Sicherheit wissen, dass das wahr ist?
  3. Wie reagierst du, wenn du diesen Gedanken glaubst?
  4. Wer wärst du ohne diesen Gedanken?

Anschließend drehe ich den Gedanken um – um andere Perspektiven zu erleben.

So habe ich The Work auf meinen Fawn Response angewendet
Ein konkretes Beispiel:
 Ich wurde gebeten, ein Projekt zu übernehmen, obwohl ich innerlich schon völlig erschöpft war. Und trotzdem sagte ich „Ja“.

Mein innerer Gedanke war:
„Ich kann nicht Nein sagen, sonst bin ich egoistisch.“

Ich habe diesen Gedanken schriftlich mit The Work bearbeitet:

  1. Ist das wahr?

    – Ja.
  2. Kann ich mit absoluter Sicherheit wissen, dass das wahr ist?

    – Nein. (Ich bin nicht sicher, ob es wirklich „egoistisch“ ist, auf mich zu achten.)
  3. Wie reagiere ich, wenn ich diesen Gedanken glaube?

    – Ich sage Ja, obwohl ich Nein meine. Ich fühle Schuld, Anspannung, Druck. Ich verliere mich.
  4. Wer wäre ich ohne diesen Gedanken?

    – Ruhiger. Klarer. Verbundener mit mir selbst. Vielleicht sogar freier, Nein zu sagen.

Die Umkehrungen:
„Ich kann Nein sagen – und das ist fürsorglich.“
„Ich bin egoistisch, wenn ich Ja sage, obwohl ich mich selbst übergehe.“

Ich habe für diese Umkehrungen passende Beispiele gefunden, die mich aufgeweckt haben. Nicht weil sie „positiv“ sind – sondern weil sie wahr sein könnten. Und das verändert etwas in mir.

Wie The Work dem Nervensystem hilft
Was ich besonders kraftvoll finde:
 The Work arbeitet kognitiv – aber sie wirkt tief im Körper.
Wenn ich merke, dass ich in einem alten Fawn-Muster bin, kann ich kurz innehalten, den belastenden Gedanken aufschreiben und ihn untersuchen. Dadurch reguliert sich mein System. Mein Körper atmet auf. Ich erkenne: Ich bin heute sicher. Ich darf wählen.
Diese Praxis hat mir geholfen, neue Wege zu finden – ohne Kampf, ohne Flucht, sondern mit Klarheit.

Typische Fawn-Glaubenssätze, die ich mit The Work geprüft habe
„Ich bin verantwortlich für die Gefühle anderer.“
„Ich darf niemanden enttäuschen.“
„Ich bin nur dann liebenswert, wenn ich nützlich bin.“
„Ich darf nicht wütend sein.“
„Wenn ich ehrlich bin, werde ich verlassen.“
Jeder dieser Gedanken war wie ein innerer Vertrag, den ich nie unterschrieben hatte – und trotzdem gelebt habe. Mit The Work konnte ich diesen inneren Vertrag Stück für Stück auflösen.

Mein Fazit
Der Fawn Response war einst mein Schutzschild – heute darf ich ihn liebevoll ablegen. Und The Work ist für mich ein Kompass geworden: zurück zu mir selbst, zu meiner Wahrheit, zu meiner inneren Freiheit.


Wenn du dich oft selbst verlässt, um dazuzugehören, wenn du Schwierigkeiten hast, Grenzen zu setzen oder Nein zu sagen – dann lade ich dich ein, deine Gedanken zu hinterfragen. Nicht um dich zu verändern, sondern um dich wiederzufinden.
Vielleicht ist das der mutigste Schritt, den wir gehen können.

Wie es jetzt weitergehen könnte
Nimm dir fünf Minuten Zeit, schreib diesen Gedanken auf:
„Ich darf keine Grenzen setzen.“
Und gehe die vier Fragen von The Work durch. Du musst nichts wissen. Du brauchst nur deine Ehrlichkeit und einen offenen Geist.